Das Erdbeben in Chili -Kleist < Deutsch < Sprachen < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 18:03 Di 08.01.2008 | Autor: | janaaa |
Aufgabe | Wie bewerten Sie das Erdbeben? (Richtig oder falsch?)
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Also mit der Frage bin ich irgendwie total überfordert, weil ich hab leider nicht annähernd eine Idee was damit gemeint ist??!
Wäre super wenn mir jemand ein wenig auf die Sprünge helfen könnte bzw einen Tipp für mich hätte! Danke :)
Ich habe diese Frage in keinem anderen Forum gestellt.
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(Antwort) fertig | Datum: | 22:30 Di 08.01.2008 | Autor: | Gaspar |
Also, ich versuche mich mal ein wenig mit der Frage zu beschäftigen.
Das Erdbeben in Chili" ist eines der ersten Werke Kleists. Es handelt sich dabei um eine Novelle.
Nun zum geschichtlichen Hintergrund der Lektüre: Das Erdbeben, von dem in dieser Novelle Kleists die Rede ist, soll nicht das Erdbeben, das 1647 tatsächlich in Chili statt gefunden hat, darstellen, sondern das Erdbeben, das 1755 in Lissabon zu einer großen Katastrophe führte. Zwar ist Kleist auch hier kein Zeitzeuge, jedoch wurde selbst Jahrzehnte nach dieser Naturkatastrophe über das ,,Warum" des Geschehenen heftig diskutiert. Im Zentrum stand dabei warum der gütige und allmächtige Gott soviel Übel auf der Welt zulässt. Die Menschen fanden dabei in der Regel immer die Antwort, dass Gott das Übel zur Bestrafung über die Menschen gebracht hat. Letztendlich waren die Menschen also selbst Schuld an ihrem Elend.
In der Novelle ,,Das Erdbeben in Chili" zeigt Kleist also auch seine Haltung und auch sein Verständnis von Gott auf.
Folgende Personen spielen eine Rolle:
* Donna Josephe, Tochter des adligen und reichen Don Asteron
* Jeronimo Rugera, bürgerlicher Hauslehrer und Liebender der Donna
* Don Fernando Ormez, Sohn des Kommandanten von St. Jago
* Donna Elvire, Frau des Don Fernando und Mutter des Sohnes Juan
* Meister Pedrillo, Schmied der Jeronimo tötet
Der Inhalt ist nur schwer in wenigen Worten zu beschreiben. Es geht um eine Liebesbeziehung, es geht um Schuld und Sühne, um eine Naturkatastrophe eben und um eine Hinrichtung und wohl auch um so etwas wie Selbstaufgabe (ok, das ist jetzt ziemlich schnoddrig formuliert).
Weiterhin lässt sich die Aussage machen, dass ,,Das Erdbeben in Chili" im Stil einer Berichterstattung geschrieben ist. Nur die wichtigsten Dinge werden beschrieben, auf Details wird verzichtet. Das gilt jedenfalls für Anfang und dem Ende der Novelle. Im Mittelteil erlaubt sich Kleist auch Details zu beschreiben
Im Kern geht es, so glaube ich darum, dass Gott die Menschen mit Naturkatastrophen, Krankheiten oder anderem irdischen Übel bestraft für 'entsprechendes' Fehlverhalten der Menschen.
Kleist sah Gott, falls er dessen Existenz überhaupt zustimmen konnte, als unerfassbar. Er hielt Gott für ein für den Menschen unverständliches Wesen. Damit konnte er den ,,guten Schöpfergott" der Bibel mit dem Übel auf der Welt in Zusammenhang bringen. Er meinte also, dass selbst die scheinbar schlimmsten Katastrophen einen Sinn haben müssten - denn sonst hätte Gott sie schließlich nicht zugelassen.
Es fällt weiterhin auf, dass Kleist oft biblische Motive verwendet, sie auch manchmal verkehrt.
Das erste biblische Motiv ist das Erdbeben, das mit der Apokalypse, also dem Weltgericht, in Analogie gesetzt wird.
Insgesamt war Kleist wohl eher der Meinung, dass man gar nicht erst versuchen sollte das Handeln Gottes zu verstehen.
Kleists Novelle lässt sich m. A. n. relativ zügig durch lesen. An die Sprache muss man sich erst gewöhnen. Um sich mit dem Werk und den daraus abzuleitenden Interpretationen zu beschäftigen, leider wohl unerlässlich.
Ich hoffe, der Beitrag hilft dir ein wenig weiter.
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(Antwort) fertig | Datum: | 01:36 Mi 09.01.2008 | Autor: | Leonila |
Ich finde grundsätzlich alles richtig, was Gaspar geschrieben hat. Eine religiöse Bedeutung schwingt bei der Verwendung des Erdbeben-Motivs unverkennbar mit und sollte bei der Bewertung nicht fehlen, auch vor dem Hintergrund des historischen Kontextes und in Anbetracht des besonderen Kleistschen Humores, dem er alle religiösen Motive unterzieht.
Aber ich finde, es reicht nicht aus. Letztendlich ist die Novelle kein religiöses Werk und die Theodizeefrage wird nicht im eigentlichen Sinne diskutiert. Man wird das Erdbeben auch unter der kompositorischen Bedeutung innerhalb des Werkes bewerten müssen. Wichtig scheinen auch die biografischen Einflüsse Kleists auf die Auswahl des Motives zu sein.
Allerdings war es in Vorhilfe nicht so, dass bei Hausaufgabenanfragen wenigstens eine kleine Eigenbemühung des Threadstarters erkennbar sein sollte, oder zumindest ein Ansatz, über den man diskutieren könnte? Eine Vorleistung kann ich bei der Frage von Jana nicht so richtig entdecken ...
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 11:14 Mi 09.01.2008 | Autor: | Gaspar |
Hallo,
.... du hast ja so recht. Ich wollte dem Fragenden nicht gleich den kompletten Mut nehmen. Natürlich muss man die Novelle unter verschiedensten Aspekten, gerade auch unter dem von dir Genannten diskutieren bzw. analysieren. Ich fand nur, dass der religiöse Aspekt den offensichtlichsten Zugang eröffnet.
Grüße
Gaspar
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 16:12 Fr 11.01.2008 | Autor: | Leonila |
> Ich fand nur, dass der religiöse Aspekt den
> offensichtlichsten Zugang eröffnet.
Ich finde, am offensichtlichsten ist, dass das Erdbeben das Leben der Figuren vollständig umkrempelt. Es gibt wenig Dinge, die das Leben eines Menschen derart verändern können, also z.B. wenn ein Reicher all sein Geld verliert und plötzlich arm ist, wenn man erfährt, dass man ein geheimer Thronfolger ist oder wenn man unheilbar krank ist, usw.
Im Drama gibt es den sog. "Glückswechsel", d.i. der Umschwung der Handlung. Novelle und Drama ähneln sich da und Kleist hat mit dem Erdbeben ein solches dramaturgisches Element gefunden. Gerade waren sie noch dem Tode geweiht, plötzlich sind sie zu einem neuen Leben befreit. Was das soll und wie Kleist das gestaltet, müsste man m.E. bei dieser Aufgabenstellung unbedingt bewerten.
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