Grundlegendes Verständnis < Wahrscheinlichkeitstheorie < Stochastik < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Umfrage) Beendete Umfrage | Datum: | 19:14 Do 01.05.2014 | Autor: | Tenori |
Hey,
habe mal eine schnelle, grundsätzliche Frage zur Wahrscheinlichkeitstheorie, wo mir noch nicht ganz klar ist, ob ich das richtig verstanden habe:
Ist es richtig, dass die Wahrscheinlichkeitstheorie zu großen Teilen nur Modellierung beinhaltet? Dabei hat es sich einfach "ergeben"(natürlich mit sinnvollen Überlegungen dazu), dass das die Realität ganz gut beschreibt?
z.B. wenn man bei der geometrischen Verteilung die Wahrscheinlichkeit nach P(X=k)= (1-p)^(k-1)*p berechnet, dann hat es sich einfach gezeigt, dass das eine gute Modellierung dafür ist, dass man k-1 Misserfolge und dann einen Erfolg hat.
Oder wenn man sagt, dass bei einem Münzwurf die Wahrscheinlichkeit 1/2 für Kopf bzw. Zahl besteht, dann lässt sich das nicht irgendwie aus der WTheorie herleiten, sindern folgt lediglich aus der ANNAHME, dass der Münzwurf gleichverteilt ist?
Kann man irgendeinen "Bogen zur Realität schlagen"?
Hoffe ihr versteht mein Problem, weiß selbst nicht genau, wie ich es richtig ausdrücken soll, aber irgendwie ist mir das alles ein wenig suspekt, es fühlt sich alles etwas "schwammig" an.
LG
PS:Ich habe diese Frage in keinem Forum auf anderen Internetseiten gestellt.
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(Antwort) fertig | Datum: | 06:11 Fr 02.05.2014 | Autor: | tobit09 |
Hallo Tenori und herzlich !
Ich habe deine Frage mal zu einer Umfrage gemacht. Dadurch erscheint sie auch nach meiner Antwort noch in der Liste der offenen Fragen. Vielleicht steuern dadurch andere noch ihre Sichtweise bei.
> Ist es richtig, dass die Wahrscheinlichkeitstheorie zu
> großen Teilen nur Modellierung beinhaltet?
Wahrscheinlichkeitstheorie kann man auch als rein mathematische Theorie ohne jede Modellierung betreiben.
Um sie jedoch auf reale Probleme anzuwenden, ist Modellierung nötig.
> Dabei hat es
> sich einfach "ergeben"(natürlich mit sinnvollen
> Überlegungen dazu), dass das die Realität ganz gut
> beschreibt?
Historisch dürfte die Wahrscheinlichkeitstheorie schon aus dem Wunsch reale Phänomene zu modellieren hervorgegangen sein.
> z.B. wenn man bei der geometrischen Verteilung die
> Wahrscheinlichkeit nach P(X=k)= (1-p)^(k-1)*p berechnet,
> dann hat es sich einfach gezeigt, dass das eine gute
> Modellierung dafür ist, dass man k-1 Misserfolge und dann
> einen Erfolg hat.
Ich denke, auf diese Formel ist man weniger durch empirisches Ausprobieren als durch Überlegungen gekommen.
Seien etwa [mm] $A_1,A_2\ldots,A_k$ [/mm] stochastisch unabhängige Ereignisse mit [mm] $P(A_1)=P(A_2)=\ldots=P(A_k)=p$.
[/mm]
[mm] $A_i$ [/mm] (für [mm] $i\in\{1,2,\ldots,k\}$) [/mm] stehe dabei jeweils für "Erfolg im i-ten Versuch".
Dann hat das Ereignis [mm] $B:=A_1^c\cap A_2^c\cap\ldots\cap A_{k-1}^c\cap A_k$, [/mm] dass zunächst k-1 Misserfolge eintreten und dann ein Erfolg eintritt, notwendigerweise die Wahrscheinlichkeit [mm] $P(B)=(1-p)^{k-1}*p$.
[/mm]
> Oder wenn man sagt, dass bei einem Münzwurf die
> Wahrscheinlichkeit 1/2 für Kopf bzw. Zahl besteht, dann
> lässt sich das nicht irgendwie aus der WTheorie herleiten,
> sindern folgt lediglich aus der ANNAHME, dass der Münzwurf
> gleichverteilt ist?
Wenn der Münzwurf durch [mm] $\Omega=\{Kopf,Zahl\}$ [/mm] und ein geeignetes Wahrscheinlichkeitsmaß $P$ beschrieben wird, können wir [mm] $P(\{Kopf\})=\frac{1}{2}$ [/mm] aus der Annahme folgern, dass [mm] $P(\{Kopf\})=P(\{Zahl\})$ [/mm] gilt.
Spätestens die Annahme [mm] $P(\{Kopf\})=P(\{Zahl\})$ [/mm] können wir aber wohl kaum aus "schwächeren" Annahmen herleiten. Hier brauchen wir die (außermathematische) Überlegung, dass es aufgrund der Symmetrie einer gewöhnlichen Münze sinnvoll ist, Kopf und Zahl gleiche Wahrscheinlichkeit zuzubilligen.
(Eine zusätzliche Schwierigkeit diese Annahme zu rechtfertigen, liegt aus meiner Sicht darin, dass es gar nicht so einfach ist, den Wahrscheinlichkeitsbegriff zu erfassen: Was meinen wir eigentlich genau damit, dass Kopf Wahrscheinlichkeit [mm] $\frac{1}{2}$ [/mm] hat?
Die heutige Wahrscheinlichkeitstheorie an Universitäten ignoriert diese Frage weitgehend.)
> Kann man irgendeinen "Bogen zur Realität schlagen"?
Die typische Vorgehensweise zur Untersuchung realer Zufallsphänomene mittels Wahrscheinlichkeitstheorie ist folgende:
1. Man formuliert ein mathematisches Modell des realen Zufallsphänomens mit geeigneten Annahmen.
2. Man arbeitet innerhalb des Modells rein mathematisch und gewinnt so neue Erkenntnisse über das Modell.
3. Man interpretiert die neuen Erkenntnisse über das Modell als neue Erkenntnisse über das reale Zufallsphänomen.
> Hoffe ihr versteht mein Problem, weiß selbst nicht genau,
> wie ich es richtig ausdrücken soll, aber irgendwie ist mir
> das alles ein wenig suspekt, es fühlt sich alles etwas
> "schwammig" an.
Man sollte unterscheiden zwischen Modellierung (1. und 3.) und rein mathematischer Theorie (2.). Letztere sollte sich nicht schwammig anfühlen.
Viele Grüße
Tobias
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(Frage) beantwortet | Datum: | 21:58 Mi 07.05.2014 | Autor: | Tenori |
Hey,
danke dir für die Antwort, das hat schon etwas zum besseren Verständnis beigetragen. Sorry das ich erst jetzt antworte. Ich verstehe auf jeden Fall was du meinst. Es ist also richtig, dass man in dem Sinne keine beweisbaren Aussagen über die Realität machen kann, oder? Denn schließlich hängen die Aussagen über die Realität nur von der Modellierung ab, und diese ergibt sich aus irgendwelchen physikalischen oder sonstigen Annahmen.
Um so erstaunlicher finde ich nun, dass es zu so Aussagen wie dem Gesetz der großen Zahlen kommt(Achtung: nur Schulwissen, so weit sind wir noch nicht in Wtheorie :) ).
Ist diese schulische Formulierung, dass sich bei genügend häufiger Wiederholung eines Zufallsexperiments die theoretisch erwartete Wahrscheinlichkeit einpendelt, korrekt?
Denn wenn dem so ist, kann ich mir garnicht vorstellen, wie das funktionieren soll, denn die Wahrscheinlichkeit hängt ja von der Modellierung ab, und damit würde man ja eine Aussage darüber treffen, dass man bei jedem Zufallsexperiments immer die perfekte Modellierung vornimmt - was man ja vorher garnicht wissen kann.
Das würde ja auch zu deiner Aussage passen, dass wir garnicht wissen, was wir mit Wahrscheinlichkeit 1/2 meinen, mit diesem Gesetz würde es ja den mir etwas fehlenden (exakten) Sprung zur Realität schaffen und Tatsache bedeuten, dass bei entsprechend häufiger Wiederholung eines Münzwurfes in der Hälfte aller Würfe Kopf bzw. Zahl erscheint - und das obwohl wir die Wahrscheinlichkeit ja genauso mit 1/3 für Kopf und 2/3 für Zahl definieren könnten.
LG
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(Antwort) fertig | Datum: | 22:39 Mi 07.05.2014 | Autor: | leduart |
Hallo
dass der Mittelwert bei großen Zahlen den theiretischen erwartungswert gibt, ist ur richtig, wenn das Modell richtig war, wenn du nach 1000 Münzwürfen Kopf= 1 Zahl=0 den Mittelwert 0,3 kriegst, war das "Modell" fairer Münze eben falsch. du musst schon mehr tests machen, und die Wahrscheinlichket aus rechnen, dass du einen MW von 0,3 bekommst usw.
sehr oft sind einfach die Modellierungen falsch und dann natürlich auch alle folgerungen daraus.
gruss leduart
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Ich würde es mal ganz einfach so ausdrücken:
Die Theorie hat sich in der Praxis bewährt.
Wenn die Frage lautet "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis X eintritt", dann kannst du diese Wahrscheinlichkeit ausrechnen.
Alternativ könntest du aber auch ein entsprechendes Experiment machen. Je mehr Versuche du dabei machst, desto stärker wird sich das Ergebnis aus dem Experiment dem theoretisch berechneten Ergebnis annähern.
Beispiel: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, eine SECHS zu würfeln?
Theorie: Auf dem Würfel gibt es die Zahlen 1 bis 6, also 6 Möglichkeiten, von denen jede gleichwahrscheinlich ist, und eine davon ist ein Treffer.
Somit ist die Wahrscheinlichkeit 1:6, also 0.166666
Praxis: Du nimmst einen fairen Würfel und würfelst damit 100.000 mal.
Wie viel SECHSEN hast du dabei? = Sagen wir 16.623
In diesem Fall wäre das 100.000malige Würfeln wohl reine Zeitverschwendung gewesen, nur um die Wahrscheinlichkeit rauszufinden.
Aber wie sieht es auch, wenn du wissen willst, wie oft man durchschnittlich würfeln muss, bis man die zehnte Sechs würfelt? Aus dem Bauch heraus würde ich da sagen: 60 Mal, wegen 10*6=60. Aber sicher bin ich mir da nicht.
Aber ich bin mir sicher, dass man auch diese Aufgabe wahrscheinlichkeitstheoretisch lösen kann. Alternativ könnte man aber auch hier 100.000mal würfeln, sich die Ergebnisse notieren, und dann schauen, wie die Verteilungskurve aussieht.
Anstatt per Hand zu würfeln, kann man sich auch Simulationsprogramme verwenden; da braucht ein Computer nicht allzu lange, um selbst mehrere Millionen Würfe zu simulieren, und die Ergebnisse wunschgemäß aufzubereiten.
Das Resultat des Experiments sollte dann wieder dem theoretischen Ergebnis sehr nahe kommen.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 15:06 Do 08.05.2014 | Autor: | fred97 |
>
> Praxis: Du nimmst einen fairen Würfel und würfelst damit
> 100.000 mal.
Hallo Rabilein,
das hab ich mal ausprobiert und bin auf eine großartige Optimierung der Angelegenheit " wie oft würfle ich eine SECHS "gekommen:
Einmal würfeln und das Notieren der Augenzahl benötigt etwa 3 Sekunden.
Insgesamt benötigt die Prozedur also 300.000 Sekunden, was etwa 83,333 Stunden sind.
Ich brauche meine 8 Stunden Schlaf pro Tag ! Für Essen, Trinken , Körperhygiene, Pinkeln etc ... habe ich 1,5 Stunden am Tag veranschlagt.
Wenn ich die restliche Zeit des Tages nur mit Würfeln und notieren der Augenzahl beschäftigt bin, bin ich in etwa 6 Tagen fertig.
Folglich:
Wenn ich feststellen will, wie oft ich eine FÜNF würfele, bin ich also in 5 Tagen fertig.
Wenn ich feststellen will, wie oft ich eine VIER würfele, bin ich also in 4 Tagen fertig.
......
Eine völlig unvollständige Induktion bringt mich dazu, dass es besser ist folgende Frage zu stellen:
Ich würfle 100.000 mal. Wie viel EINSEN hab ich dabei?
Das festzustellen benötigt nur 1 Tag.
Schönen Tag noch, Gruß
FRED
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 15:20 Do 08.05.2014 | Autor: | rabilein1 |
> wie oft würfle ich, um eine SECHS "gekommen:
> Ich bin in etwa 6 Tagen fertig.
>
> Folglich:
>
> Wenn ich feststellen will, wie oft ich eine FÜNF würfele,
> bin ich also in 5 Tagen fertig.
>
> Wenn ich feststellen will, wie oft ich eine VIER würfele,
> bin ich also in 4 Tagen fertig.
>
> Ich würfle 100.000 mal. Wie viel EINSEN hab ich dabei?
> Das festzustellen, benötigt nur 1 Tag.
Jaja, die unvollständige Induktion hat ihre ganz eigenen Gesetze.
Aber es wäre wohl sehr interessant, die Mathematik auf diesen Gesetzen aufzubauen.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 15:33 Do 08.05.2014 | Autor: | rabilein1 |
Man kann ja mal an die Herren Obermathematiker hier die Frage stellen:
Wie muss ein Würfel und das Prozedere aussehen, wenn man 100.000 mal würfelt, dabei 3 Sekunden pro Wurf braucht, und
nach 6 Tagen feststellt, wie viel SECHSEN man geworfen hat,
nach 5 Tagen feststellt, wie viele FÜNFEN ...
...
und nach 1 Tag (und 100.000 Würfen) weiß, wie viele EINSEN man hat ?
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 15:44 Do 08.05.2014 | Autor: | fred97 |
> Man kann ja mal an die Herren Obermathematiker hier die
> Frage stellen:
>
> Wie muss ein Würfel und das Prozedere aussehen,
Hier meine Würfelsammlung
http://naitsabes.net/img/sammlung.jpg
Such Dir einen geigneten aus.
FRED
wenn man
> 100.000 mal würfelt, dabei 3 Sekunden pro Wurf braucht,
> und
> nach 6 Tagen feststellt, wie viel SECHSEN man geworfen hat,
> nach 5 Tagen feststellt, wie viele FÜNFEN ...
> ...
> und nach 1 Tag (und 100.000 Würfen) weiß, wie viele
> EINSEN man hat ?
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