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(Frage) beantwortet | Datum: | 22:16 Fr 20.05.2011 | Autor: | qsxqsx |
Hallo,
Weshalb gibt es Systeme, bei denen eine minimal andere Anfangsbedingung, zu einer langfristig deutlich verschiedenen Lösung, führen kann? Ich verstehe das mathematisch nicht.
Zu einer DGL kann man ja ein Vektorfeld aufzeichnen. Dabei ist es ja logischerweise so, dass Pfeile nah beieinander auch in ähnliche Richtungen zeigen (entspricht sozusagen einer Art "Stetigkeitsausage für Pfeile"). Ist doch so, oder?
Und jetzt: Wieso soll es den bei Systemen wie den Lorenz-Differentialgleichungen lösungen geben, die für leicht andere Anfangsbedingungen sehr unterschiedlich ausfallen?
Ich habe das durchgelesen. Nur versteh ich all das Zeugs mit Untermannigfaltigkeiten und so eher schwer...
...ich habe es ungefähr so verstanden, dass es in dem ganzen Raum von Möglichkeiten wiederrum Unterräume gibt, die durch die Funktion(das Funktionssystem) in einen anderen Unterraum abgebildert werden. Und vielleicht ist es so, dass wenn man in dem Unterraum ein kleines Stückchen weiter geht und das woanders abbildet, dass man dan wo anderst landet. Trotzdem versteh ich noch nicht wirklich wieso das geschehen kann.
Kann mir jemand vielleicht ein bisschen was dazu sagen?
Vielen Dank.
Grüsse
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> Hallo,
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> Weshalb gibt es Systeme, bei denen eine minimal andere
> Anfangsbedingung, zu einer langfristig deutlich
> verschiedenen Lösung, führen kann? Ich verstehe das
> mathematisch nicht.
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> Zu einer DGL kann man ja ein Vektorfeld aufzeichnen. Dabei
> ist es ja logischerweise so, dass Pfeile nah beieinander
> auch in ähnliche Richtungen zeigen (entspricht sozusagen
> einer Art "Stetigkeitsausage für Pfeile"). Ist doch so,
> oder?
> Und jetzt: Wieso soll es den bei Systemen wie den
> Lorenz-Differentialgleichungen lösungen geben, die für
> leicht andere Anfangsbedingungen sehr unterschiedlich
> ausfallen?
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> Ich habe
> das
> durchgelesen. Nur versteh ich all das Zeugs mit
> Untermannigfaltigkeiten und so eher schwer...
> ...ich habe es ungefähr so verstanden, dass es in dem
> ganzen Raum von Möglichkeiten wiederrum Unterräume gibt,
> die durch die Funktion(das Funktionssystem) in einen
> anderen Unterraum abgebildert werden. Und vielleicht ist es
> so, dass wenn man in dem Unterraum ein kleines Stückchen
> weiter geht und das woanders abbildet, dass man dan wo
> anderst landet. Trotzdem versteh ich noch nicht wirklich
> wieso das geschehen kann.
>
> Kann mir jemand vielleicht ein bisschen was dazu sagen?
>
> Vielen Dank.
>
> Grüsse
Hallo qsxqsx,
das Thema des mathematischen "Chaos" ist natürlich ein sehr
weites Feld, über das auch schon viele Bücher geschrieben
wurden. Es gibt aber wunderschöne Beispiele, an welchen
man den sogenannten "Schmetterlingseffekt" auf mathematisch
recht einfache Weise deutlich machen kann.
Ich habe z.B. einmal ein Programm erstellt, das folgenden
physikalischen Prozess beschreibt: zwei schiefe Ebenen sind
in der Art eines (mehr oder weniger flachen) "V" angeordnet.
Stattdessen kann man aber auch eine differenzierbare
Kurve als "Unterlage" benützen.
Nun lässt man eine Kugel an einer bestimmten Stelle darauf
fallen und berechnet physikalisch exakt (unter Vernachläs-
sigung aller Reibungseffekte) die Trajektorie der Kugel, die
aus Parabelbögen zusammengesetzt ist. Nun lässt man die
Kugel nochmals fallen, mit einer minimal (z.B. um [mm] 10^{-15} [/mm] Längen-
einheiten) abgeänderten Startkoordinate. Das Ergebnis ist
oft frappant: die Kugel macht anscheinend die ersten etwa
50 Sprünge exakt so wie vorher, um dann aber abrupt eine
ganz andere "Zukunft" zu entwickeln.
Analoge Phänomene kann man etwa mit dem Newtonschen
Nullstellen-Suchverfahren erzeugen, wenn man es auf eine
differenzierbare Funktion mit mehreren Nullstellen ansetzt,
z.B. auf die Sinusfunktion, die sogar [mm] \infty [/mm] viele reelle Nullstellen
besitzt. Für jeden Startwert [mm] x_0 [/mm] konvergiert das Verfahren
entweder gegen eine durch [mm] x_0 [/mm] theoretisch exakt bestimmte
Nullstelle - oder es divergiert (allerdings nur für [mm] x_0\in{D} [/mm] mit
einer Menge [mm] D\subset{\IR} [/mm] vom Maß Null).
Schon in einem kleinen Intervall der x-Achse liegen aber
Startpunkte, von welchen aus die "Reise" im Prinzip zu jeder
der [mm] \infty [/mm] vielen Nullstellen der Sinusfunktion führt. Dies
bedeutet andererseits, dass schon beliebig kleine Änderungen
des Startwerts zu einem "makroskopischen" Unterschied im
Grenzwert führen können.
LG Al-Chw.
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(Frage) beantwortet | Datum: | 10:49 Sa 21.05.2011 | Autor: | qsxqsx |
Hallo,
Ich bin mir aber bei deinem Sinus-Newtonverfahren Beispiel nicht sicher ob das vergleichbar ist. Denn, klaro, wenn ich das DGL-System mit einem Runge-Kutta, Implizten Euler, Störmer-Verlet-Verfahren und was auch immer löse, gibt es den Effekt, das wenn ich einmal im Kreis gehe, nicht mehr unbedingt am gleichen Ort sein muss - abhängig von der Anfangsbedingung.
Meine Fragestellung ist aber: Wieso ist das auch analytisch so? Man kann es ja analytisch zeigen...das verrückte ist ja nicht, dass die Kurven für eine kleine andere Anfangsbedingung stark anders rauskommen, sondern, dass sie sich schneiden können!
Grüsse
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> Hallo,
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> Ich bin mir aber bei deinem Sinus-Newtonverfahren Beispiel
> nicht sicher ob das vergleichbar ist. Denn, klaro, wenn ich
> das DGL-System mit einem Runge-Kutta, Implizten Euler,
> Störmer-Verlet-Verfahren und was auch immer löse, gibt es
> den Effekt, das wenn ich einmal im Kreis gehe, nicht mehr
> unbedingt am gleichen Ort sein muss - abhängig von der
> Anfangsbedingung.
>
> Meine Fragestellung ist aber: Wieso ist das auch analytisch
> so? Man kann es ja analytisch zeigen...das verrückte ist
> ja nicht, dass die Kurven für eine kleine andere
> Anfangsbedingung stark anders rauskommen, sondern, dass sie
> sich schneiden können!
>
> Grüsse
Hallo [mm] qsx^2
[/mm]
ich bin nicht sicher, ob ich dich im Moment ganz richtig
verstehe. Um es ganz klar zu machen: ich habe jene
Simulation (springende Kugel) nicht mit irgendeinem
Näherungsverfahren wie etwa Runge-Kutta durchgeführt,
sondern durch Lösung quadratischer Gleichungen.
Auch das auf die Sinusfunktion angewandte Newton-
verfahren liefert (und das ist leicht zu beweisen) bei
mathematisch exakter Behandlung ein chaotisches
Verhalten ganz unabhängig von bestimmten numeri-
schen Realisationen in Modellen.
Ich versuche, mir deine Frage nochmals etwas genauer
zu vergegenwärtigen. Als weitere Analogie denke ich auch
an einen Himmelskörper, dessen Bahn durch eine minimale
Veränderung einer Anfangsbedingung sich durchaus so
verändern kann, dass sich die veränderte Bahn mit der
ursprünglichen kreuzen kann.
LG Al-Chw.
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(Antwort) fertig | Datum: | 20:54 Sa 21.05.2011 | Autor: | rainerS |
Hallo!
> Hallo,
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> Weshalb gibt es Systeme, bei denen eine minimal andere
> Anfangsbedingung, zu einer langfristig deutlich
> verschiedenen Lösung, führen kann? Ich verstehe das
> mathematisch nicht.
>
>
> Zu einer DGL kann man ja ein Vektorfeld aufzeichnen. Dabei
> ist es ja logischerweise so, dass Pfeile nah beieinander
> auch in ähnliche Richtungen zeigen (entspricht sozusagen
> einer Art "Stetigkeitsausage für Pfeile"). Ist doch so,
> oder?
Ja, aber das ist ja nur eine lokale Eigenschaft. Es geht aber um globale Effekte.
> Und jetzt: Wieso soll es den bei Systemen wie den
> Lorenz-Differentialgleichungen lösungen geben, die für
> leicht andere Anfangsbedingungen sehr unterschiedlich
> ausfallen?
Schau mal hier.
Ganz allgemein gesprochen, brauchen die Lösungen von ODEs zu nahe beieinander liegenden Anfangsbedingungen nach endlicher Zeit keinesfalls nahe beieinander zu liegen. Wenn ich mich recht erinnere, gilt sogar für mehrdimensionale Hamiltonsche Systeme (also solche, die sich durch eine Hamiltonfunktion und die kanonischen Gleichungen der Mechanik beschreiben lassen), dass die Lösungen nach endlicher Zeit exponentiell auseinander laufen können.
Viele Grüße
Rainer
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