Verständnisproblem Ulrich Beck < Sozialwissenschaften < Geisteswiss. < Vorhilfe
|
Status: |
(Frage) beantwortet | Datum: | 12:46 So 21.06.2015 | Autor: | Mimic |
Hallo,
ich verstehe die 3 Dimensionen von Ulrich Beck nicht.
1. Freisetzungsdimension: Herauslösungen aus traditionellen Bindungen.
Bspl. Arbeiterkinder müssen nicht wieder Arbeiterkinder werden.
2. Entzauberungsdimension: Die Freiheiten bringen Unsicherheiten und Risiken mit. Bsp. Man muss seinen eigenen Lebenslauf gestalten.
3. Reintegrations- bzw. Kontrolldimension:
Neue Art der Wiedereinbindung in die Gesellschaft. Aber was meint das ??
|
|
|
|
Status: |
(Antwort) fertig | Datum: | 13:26 So 21.06.2015 | Autor: | Josef |
Hallo Mimic,
> ich verstehe die 3 Dimensionen von Ulrich Beck nicht.
>
> 1. Freisetzungsdimension: Herauslösungen aus
> traditionellen Bindungen.
> Bspl. Arbeiterkinder müssen nicht wieder Arbeiterkinder
> werden.
>
> 2. Entzauberungsdimension: Die Freiheiten bringen
> Unsicherheiten und Risiken mit. Bsp. Man muss seinen
> eigenen Lebenslauf gestalten.
>
> 3. Reintegrations- bzw. Kontrolldimension:
> Neue Art der Wiedereinbindung in die Gesellschaft. Aber was
> meint das ??
Entzauberungsdimension
"Beck konstatiert das "Ausdünnen von Traditionen" (Beck 1986: 187) und bezieht sich auf den Verlust an Glauben, Klassenbewußtsein, Nachbarschafts-, Orts- und Vereinsbindungen. Durch das Verschwinden von Gott verlieren die Menschen die Möglichkeit, Schuld abzuladen, ohne aber mit weniger und weniger drängenden Fragen belastet zu sein. Das schwindende Klassenbewußtsein entledigt sie der Möglichkeit, erfahrenes Leid gemeinsam zu interpretieren und zu ertragen. Und die abnehmenden Bindungen werden ersetzt durch eine steigende Zahl neuer Kontakte. Der Qualitätsverlust, der mit der neuen Quantität einhergeht, bedeutet aber zunehmende Beliebigkeit und abnehmende Intimität, die einst identitätsstiftend wirkte. Beck schreibt:" Gesellschaftliche Individualisierung meint: Kollektive und gruppenspezifische Sinnquellen (z.B. Klassenbewußtsein, Fortschrittsglauben) der industriegesellschaftlichen Kultur, die noch weit ins 20. Jahrhundert hinein die westlichen Demokratie- und Wirtschaftsgesellschaften gestützt haben, werden aufgezehrt, aufgelöst, entzaubert. Dies führt u.a. dazu, daß mehr und mehr alle Definitionsleistungen den Individuen selbst auferlegt werden..." (Beck 1995:185).
Aus der gesellschaftsgeschichtlichen, strukturellen Perspektive, die Beck bevorzugt, geht es ihm vornehmlich nicht um die individuellen Auswirkungen der Entzauberung, auch wenn er sich kleine, anschauliche Ausflüge in die zerrütteten Psychen nicht nehmen läßt. Die Auflösung von integrierendem Sinn ist für ihn ein weiterer Ansatzpunkt dafür, daß Individualisierung Selbstdefinition bedeutet. Die Konstruktion von Weltdeutung und der Aufbau eigener, traditionell nicht vorgegebener Beziehungen ist für ihn Kennzeichen der neuen Gesellschaftsordnung, die als Vergesellschaftungsmodus den Bezugspunkt des Einzelnen hat. Entzauberung bedeutet zunächst aber eine individualisierende Rationalisierung. Beck folgt einer Linie des Vertrauens in aufklärerische Tendenzen, nach dem sich Vernunftleitung ausbreitet und kollektive Mythen als solche erkannt werden und an Kraft verlieren. Festzuhalten bleibt, daß an dieser Stelle ein Vorgang rationaler Auseinandersetzung mit kulturellen Einrichtungen behandelt und damit ein Strang klassischer Modernisierungsentwicklung weiterverfolgt wird. Daß dieser zu Individualisierung führt, ist die Becksche Interpretationsarbeit."
Freisetzungsdimension
"Gesellschaftliche Individualisierung bedeutet bei Beck gleichzeitig auch die Aufhebung der Strukturierung von Lebenslagen nach traditionellen Großgruppen, wie Ständen, Klassen und Schichten, aber auch die Freisetzung aus Geschlechtslagen von Männern und Frauen. Ausgelöst wurde der Wandel innerhalb dieser sogenannten Freisetzungsdimension (Beck 1995:188) durch eine Umverteilung von Rechten auf Individuen. Soziale Rechte innerhalb des Staates sind nunmehr Rechte der Erwerbstätigen oder Erwerbsbereiten, im Gegensatz zu Rechten, die im Bewußtsein einer Klassensolidarität für die Gemeinschaft, und darüber vermittelt erst für den einzelnen galten. Die neuartige Konstruktion setzt nun das Individuum als Akteur und Inszenator seiner Biographie voraus. Individualisierung beruht auch in diesem Sinn keinesfalls auf der freien Entscheidung der Individuen. Sie werden dazu gezwungen, sich als Individuum zu konstituieren, zu planen, zu handeln, sich selber zu entwerfen, oder sie werden die Konsequenz für ihre Untätigkeit durch Bestrafungsmechanismen des Sozialstaates zu spüren bekommen. Damit ist der Sozialstaat "eine Versuchsanordnung zur Konditionierung ichbezogener Lebensweisen" (Beck 1995: 193). Gestärkt wird diese Entwicklung durch Bildung, die dazu beiträgt, traditionalistische Orientierungen, Lebensstile und Denkweisen durch universalistische zu ersetzen. Das Erlernte ermöglicht ein Minimum an Selbstfindungs- und Reflexionsprozessen und schafft so die Grundlage einer individualistischen Selbstdefinition und Biographieplanung.
Der Arbeitsmarkt ist der zweite große Freisetzungsmotor: Die neue Umgebung löst aus bekannten Strukturen heraus und legt neue Rollen nahe. Heraus bildet sich nach Beck eine individualisierte Arbeitnehmergesellschaft, die im Gegensatz zur Klassengesellschaft keine traditionell-kulturelle, sondern eine primär arbeitsrechtlich und sozialpolitisch definierte Kategorie ist (Beck 1994: 57). Des weiteren fördert Konkurrenz und der Zwang zur Mobilität die Freisetzung aus alten Strukturen. Buchmann abstrahiert Individualisierungsinstanzen weiter und benennt die Vergesellschaftung von Individuen (a) als Marktteilnehmer in der ökonomischen Sphäre, (b) als Bürger in der politischen Sphäre und (c) als Empfangsberechtigte von Wohlfahrtsdienstleistungen als Triebkräfte, die die Auflösung traditioneller Bindungen unterstützen (Buchmann 1989:90).
Die Freisetzungsdimension der Individualisierung ist Ergebnis einer individualisierenden Differenzierung der Lebensbereiche. Die Becksche Idee ist, daß Differenzierung derart auf die Spitze getrieben wird, daß der Einzelne als Bezugs- und Handlungspunkt zurückbleibt. An ihm setzt Vergesellschaftung an, ihm sind Rechte und Pflichten zugeschrieben, wodurch sich individuelle Wahlaufgaben ergeben."
Reintegrationsdimension
"Gesellschaftliche Individualisierung bedeutet bei Beck nicht nur einen gesellschaftsweiten Auflösungsprozeß, sondern auch eine neue Art der Gesellschaftsbildung, einen Reintegrationsprozeß. Beck spricht von Individualisierung als einem "historisch widerspruchsvollen Prozeß der Vergesellschaftung von Individuen" (Beck 1995:189). Es geht hierbei um die Frage, wie sich individualisierte Personen zu Gemeinschaften zusammenschließen können. Auf der einen Seite treten, wie oben beschrieben, nicht mehr Institutionen als vermittelnde Instanzen auf, sondern diese Instanzen werden übersprungen und Gesellschaft direkt zwischen dem Staat und seinen Bürgern konstituiert. Bei Fragen der Arbeitslosigkeit werden beispielsweise nicht mehr Benachteiligungen der angehörenden Klasse beschworen, sondern die Einzelnen suchen nach persönlichen Versäumnissen, die den als Schicksal empfundenen Zustand ausgelöst haben könnten und bekommen direkte Zuweisungen als Ausgleich.
Andererseits sieht Beck Möglichkeiten zur Neustrukturierung darin, daß entlang gemeinsamer Risikolagen Bürgerinitiativen und soziale Bewegungen entstehen. Auch gesellschaftliche Widerstände gegen moderne Wünsche nach einem individuellen, eigenen Leben können Menschen vereinen: Ihr Protest würde Gemeinsamkeiten verstärken. Modernes Soziales Handeln unterscheidet sich im Beckschen Verständnis insofern von altem, als daß es zuvor an vorgegebenen Strukturen ausgerichtet sein mußte. Heute dahingegen bedeutet es vor allem Kreativität, da die Strukturen selbst "erfunden, ausgehandelt, entschieden, gerechtfertigt" (Beck 1995: 194) werden müssen. Gesellschaft konstituiert sich in der Risikogesellschaft durch von unten gewonnene Gemeinsamkeiten: "Die Gesellschaft wird für ihn zu einer sozialen Bewegung der Individuen" (Ebers 1995: 279). Einzelne versuchen, sich - der vorherrschenden Risikorationalität folgend -, in gemeinsam erkannten Risikolagen vor kollektiven Risiken zu bewahren und verlassen damit die institutionellen Strukturen.
Re-Integration bedeutet für Beck auch Einschränkung der gewonnenen Individualität: Vielfältige Institutionelle Eingriffe standardisieren Lebenslagen und Lebenswege, wodurch Freisetzungsbestrebungen konterkariert werden. Die individualisierte Vergesellschaftung bietet sowohl viele Ansatzpunkte für das Verständnis der Beckschen Thesen wie zur Rechtfertigung gegenüber seinen Kritikern, da an dieser Stelle die Formierung neuer Strukturen angelegt ist."
Quelle:
http://www.grin.com/de/e-book/96479/ulrich-becks-individualisierungsthese-beschaeftigung-mit-begrifflichen
Viele Grüße
Josef
|
|
|
|
|
Status: |
(Frage) beantwortet | Datum: | 13:59 So 21.06.2015 | Autor: | Mimic |
hab´ daraus nichts verstanden ..
|
|
|
|
|
Status: |
(Antwort) fertig | Datum: | 16:50 So 21.06.2015 | Autor: | M.Rex |
Hallo
Dan schau dir mal dieses Skript an, ich denke, dort hast du eine schöne Erklärung dazu. Sonst müsstest du dich nochmal melden, dann aber evtl mit einer etwas konkreteren Rückfrage.
Marius
|
|
|
|
|
Status: |
(Frage) beantwortet | Datum: | 19:11 So 21.06.2015 | Autor: | Mimic |
Mit meinen eigenen Worten zusammgefasst, habe ich es so verstanden.
Nach Ulrich Beck entsteht eine neue Art der Wiedereinbindung in die Gesellschaft. Traditionelle Bindungen an die die Großfamlie treten in den Hintergrund und stattdessen nehmen Institutionen wie der Arbeismarkt die Einbindung in die Gesellschaft vor.
Bspl: Die Entscheidung welchen Beruf ich ausüben kann, wird durch den Arbeitsmarkt begrenzt. Will ich z.b. Medizin studieren brauche ich den dafür vorgesehenen Numerus Clausus.
Ist dies so richtig? Kann man noch was ergänzen?
viele Grüße.danke
|
|
|
|
|
Status: |
(Antwort) fertig | Datum: | 11:05 Mo 22.06.2015 | Autor: | Josef |
Hallo,
> Mit meinen eigenen Worten zusammgefasst, habe ich es so
> verstanden.
>
> Nach Ulrich Beck entsteht eine neue Art der
> Wiedereinbindung in die Gesellschaft.
> Traditionelle
> Bindungen an die die Großfamlie treten in den Hintergrund
> und stattdessen nehmen Institutionen wie der Arbeismarkt
> die Einbindung in die Gesellschaft vor.
>
> Bspl: Die Entscheidung welchen Beruf ich ausüben kann,
> wird durch den Arbeitsmarkt begrenzt. Will ich z.b. Medizin
> studieren brauche ich den dafür vorgesehenen Numerus
> Clausus.
>
"Die Gesellschaft der Gegenwart beschreibt Beck als Risikogesellschaft (1986). In ihr kommt es zwangsläufig zu einer Neubestimmung des Politischen (Politik in der Risikogesellschaft, 1991). In der radikalisierten, reflexiven Moderne macht Beck als treibende Kraft die Unsicherheit aus (Zweite Moderne). Diese sei in diesem Sinne jedoch nicht nur negativ als Bedrohung aufzufassen, sondern ermögliche im Gegenteil in der Form des Skeptizismus als dem politischen Programm dieser radikalisierten Moderne, den „Größenwahn der Industrieepoche” zu überwinden. Insofern sei diese „alles erfassende und durchdringende Unsicherheit gerade nicht nur die Schattenseite der Freiheit”, es gelte „sie vielmehr genau umgekehrt als deren Sonnenseite zu entdecken”
Microsoft® Encarta® Enzyklopädie Professional 2003 © 1993-2002 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
"Freisetzungsdimension: Sie beschreibt die Herauslösung des Individuum aus traditionellen Sozialformen und -bindungen. Traditionelle gesellschaftliche Klassen und Schichten (etwa die Arbeiterklasse) lösen sich auf. Ebenso sind Familien- und Nachbarschaftsstrukturen von den Auflösungsprozessen betroffen, etwa aufgrund von Scheidung und Mobilität.
Entzauberungsdimension: Sie ist durch den Verlust traditioneller Sicherheiten in bezug auf leitende Werte und Normen gekennzeichnet (Pluralisierung von Werten und Normen).
Kontroll- und Reintegrationsdimension: Individuen gehen neue Formen sozialer Bindungen ein, etwa durch ihr Engagement in Bürgerinitiativen. Daneben ist der Einzelne neuen Formen der Kontrolle unterworfen, etwa durch Institutionen des Rechts, der Bildung oder des Marktes. In diesem Kontext wird auch von den institutionenabhängigen Individuallagen gesprochen."
http://egora.uni-muenster.de/FmG/freiz_s0001.shtml
Viele Grüße
Josef
|
|
|
|